Ein Holzrichterhammer auf einem Holzblock, im Hintergrund unscharf ein geöffnetes Buch und ein Stapel Bücher auf einem Holztisch.

Rechtsstellung und Unterschiede zwischen öffentlich bestellten und nicht öffentlich bestellten Sachverständigen in Deutschland

Warum öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige

Die Unterscheidung zwischen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen und nicht öffentlich bestellten Sachverständigen ist in Deutschland für Auftraggeber, Gerichte und Behörden von zentraler Bedeutung. Während ersteren eine hoheitliche Funktion und besondere Rechtssicherheit zukommt, üben letztere ihre Tätigkeit ohne formelle Bestellung aus – mit teils abweichenden Qualitätsanforderungen, Haftungsregelungen und Berufsbezeichnungen.

Was ist ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger?

Ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger wird auf Grundlage eines Gesetzes durch eine öffentlich-rechtliche Institution (z. B. Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, Architekten- oder Ingenieurkammer) formell bestellt und leistet einen Eid, der seine Unabhängigkeit und Objektivität garantiert. Er muss dafür:

  • besondere Sachkunde in Theorie und Praxis nachweisen,
  • Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Vertrauenswürdigkeit belegen,
  • einem kontinuierlichen Qualitäts- und Fortbildungsnachweis unterliegen.
    Fehlt nur eine dieser Voraussetzungen, erfolgt keine Bestellung.

Bestellungsbehörden führen ein öffentlich zugängliches Verzeichnis, in dem alle ö. b. u. v.-Sachverständigen eingetragen sind. Die Bestellung erfolgt in der Regel für eine befristete Dauer (meist fünf Jahre) und kann nach positiver erneuter Prüfung verlängert werden.

Was ist ein nicht öffentlich bestellter Sachverständiger?

Nicht öffentlich bestellte Sachverständige gliedern sich vor allem in:

  1. Freie Sachverständige (selbst ernannt, ohne behördliche Bestellung),
  2. Zertifizierte Sachverständige (Akkreditierung nach DIN EN ISO/IEC 17024 durch DAkkS oder akkreditierte Stellen).

Freie Sachverständige können aufgrund ihrer fachlichen Qualifikation (z. B. Meisterbrief, Hochschulabschluss, langjährige Praxiserfahrung) Gutachten erstellen, sind aber weder bestellt noch vereidigt und unterliegen keiner einheitlichen öffentlichen Qualitätskontrolle. Die Berufsbezeichnung „Sachverständiger“ ist nicht geschützt; es besteht somit keine Garantie für formelle Prüf- oder Eignungsstandards.

Zertifizierte Experten wiederum haben zwar eine unabhängige Akkreditierung nach internationaler Norm, besitzen jedoch nicht das hoheitliche Träger- und Reputationsmerkmal der öffentlichen Bestellung. Sie können bei Bedarf von Gerichten hinzugezogen werden, wenn kein ö. b. u. v.-Sachverständiger verfügbar ist.

Rechtliche Grundlagen und Berufsbezeichnung

  • Öffentliche Bestellung: basiert auf § 36 GewO (Gewerbeordnung) und ist gesetzlich geschützt. Die missbräuchliche Führung des Titels „öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger“ ist strafbar (§ 203 StGB).
  • Nicht öffentlich bestellte Sachverständige: unterliegen dem UWG-Irreführungsverbot, wenn sie sich irreführend als „vereidigt“ ausgeben.
  • Gerichtliche Zulassung: Ö. b. u. v.-Sachverständige werden in der Zivilprozessordnung (§ 404 ZPO) bei Beweisführungen bevorzugt, freie Sachverständige nur in Ausnahmefällen.

Qualifikation und Anforderungen

Merkmal

Ö. b. u. v.-Sachverständiger

Nicht öffentlich bestellter Sachverständiger

Nachweis besonderer Sachkunde

Zertifikate, Zeugnisse, Gutachten, Fachgremienprüfung

Beliebige fachliche Qualifikation, keine formelle Prüfung

Eid / Vereidigung

Ja: Objektivität, Unparteilichkeit, Vertraulichkeit

Nein

Fortbildungspflicht

Regelmäßige Fortbildungsnachweise

Freiwillig

Qualitätskontrolle

Institutionelle Zwangsaufsicht durch Bestellungsbehörde

Keine öffentliche Überprüfung

Befugnisse und Haftung

  • Ö. b. u. v.-Sachverständige genießen hoheitliche Befugnisse, z. B. Einsicht in geschützte Unterlagen, und haften nach Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) oder vertraglich.
  • Nicht öffentlich bestellte Sachverständige haftpflichten nach allgemeinem Werkvertragsrecht (BGB); ihre Gutachten können mangels Eid und Bestellung vor Gericht in Zweifel gezogen werden.

Anwendungsbereiche und Akzeptanz

  • Gerichte und Behörden bevorzugen ö. b. u. v.-Sachverständige, da diese die höchsten Qualitäts- und Unabhängigkeitsstandards erfüllen und formell bestellt sind.
  • Wirtschaft und Privatsektor setzen häufig freie oder zertifizierte Sachverständige ein, die kostengünstiger und flexibler verfügbar sind, jedoch kein geschütztes Berufsbild aufweisen.

Fazit

Die öffentliche Bestellung und Vereidigung sind das zentrale Qualitätssiegel für Sachverständige in Deutschland. Sie garantieren formelle Prüfung, hoheitliche Befugnisse und eine geschützte Berufsbezeichnung. Nicht öffentlich bestellte Sachverständige punkten mit Flexibilität und oft kürzeren Verfahrenswegen, müssen sich aber durch freie Qualifikationsnachweise und individuelle Zertifizierungen bewähren. Je nach Einsatzzweck – Gerichtsgutachten versus privates Fachgutachten – entscheidet sich die passende Sachverständigenwahl.

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